Die Friedensdenkmäler von Erlauf . Eine Entstehungsgeschichte. Ich war überzeugt, Erlauf und die Geschichte unseres Landes brauchen im Zusammenhang mit dem Frieden mehr als eine schlichte Gedenktafel, die von den meisten Menschen nicht beachtet wird. Der nach einer Straßenbegradigung und Abbruch eines Hauses in den siebziger Jahren entstandene, aber relativ brachliegende Marktplatz verlangte ebenfalls eine Gestaltung. Ein Vorbild war für mich die Ostarrichigemeinde Neuhofen.
Eines der spannendsten Kapitel meines Lebens konnte beginnen.
Nach zahlreichen internen Beratungen auf Basis der Dorferneuerung und im Gemeinderat sagte uns 1989 die Kulturabteilung des Landes die Unterstützung bei der Umsetzung zu. Im Protokoll einer Besprechung des Gutachtergremiums "Kunst im öffentlichen Raum" mit Gemeindevertretern wurde vermerkt: am interessantesten erscheint die Idee, einen sowjetischen und einen amerikanischen Künstler einzuladen und den Marktplatz in Erlauf gemeinsam zu gestalten. Trotz des Problems der sowjetischen Bürokratie sowie möglicher höherer Kosten entschließt man sich wegen der Einmaligkeit der Begebenheit, die Botschaften beider Länder anzuschreiben.
Das waren ergebnislose Versuche. Die Amerikaner sagten ab. Da Amerika kein Kulturministerium hat, macht die Regierung keine Kulturprojekte. Sie verwiesen auf die zahlreichen privaten Möglichkeiten in den USA. Die sowjetische Botschaft reagierte überhaupt nicht. Erfolgreich waren aber dann direkte Kontakte. Eine stellvertretend sowjetische Kulturministerin bewirkte die Nominierung von Oleg Komov für Erlauf, nachdem ihr bei einem Nieder- österreichbesuch das Projekt erklärt wurde. Als amerikanische Künstlerin erschien Jenny Holzer aufgrund ihrer bisherigen Arbeit und ihres Engagements die bestmögliche Kandidatin für das Friedensdenkmal in Erlauf. Ein direkter Kontakt der Kulturabteilung mit Frau Holzer in New York hat die Verbindung mit Erlauf sehr rasch hergestellt.
Beide Künstler kamen im Herbst 1991 nach Erlauf, um sich den Platz für ihre Arbeiten anzusehen und über ihre Ideen zu diskutieren. Die Bronzeskulpturen entstanden in Moskau und sind ein Geschenk der Sowjetunion bzw. Rußlands an die Gemeinde Erlauf. Das Postament besorgte die Gemeinde und gestaltete den Aufstellungsplatz nach Komovs Vorstellungen und unter seiner persönlichen Aufsicht. Die Übergabe des Denkmals an Erlauf durch Oleg Komov erfolgte im Juni 1992. Wir sind heute sehr froh über diese kleine Feier, denn Oleg Komov verstarb im Herbst 1994 in Moskau. Mit Jenny Holzer haben wir vertraglich ein Budget vereinbart, aus dem das Denkmal und die Gartengestaltung finanziert wurden. Die Errichtung dieses Denkmals wäre vor dem Telefaxzeitalter nicht möglich gewesen: Ideen und Pläne aus New York, Scheinwerfer für das Friedenslicht aus Kalifornien, Steinmetzarbeit aus Carrara, Gartenarchitektin aus Wien, viel Arbeit und Nervenflattern in Erlauf.
Die wesentlichen Teile des Denkmals sind erst in den ersten Maitagen in Erlauf eingetroffen . Fieberhafte Arbeit bis zu den Stunden der Eröffnung waren notwendig, Trotzdem standen am Abend des 7. Mai viele hundert Menschen am Marktplatz und waren zum Teil zu Tränen gerührt von der Faszination des Gesamtkunstwerkes. Alle Menschen freuten sich über die Anwesenheit der berühmten Künstlerin aus Amerika in Erlauf. Jenny Holzer freute die herzliche Aufnahme in Erlauf und die merkbare Rührung der Menschen. "Wenn die Leute Tränen in den Augen haben, dann weiß ich, mein Werk bewegt die Menschen, das ist ganz wichtig", sagte sie.
Vor allem der hohe gebündelte Lichtstrahl aus der Granitsäule im weißen Garten von Jenny Holzer führt zu einem Gefühl demütiger Freude. Das weithin sichtbare Friedenslicht zeigt sich fast jeden Tag anders. In schönen, klaren Nächten beugt es sich förmlich über den Betrachter. Vorhandene Wolken werden in einem interessanten Schauspiel vom Lichtstrahl durchdrungen oder angeleuchtet. Immer wieder fahren Leute von der Autobahn ab, um zu sehen, von wo das eigenartige Licht kommt.
Von der Idee bis zur Eröffnung am Friedensfest begleiten die Entstehungsgeschichte der Denkmäler viele Freundschaften und bleibende erfreuliche Eindrücke. Oleg Komov war oft und gerne in Erlauf, er war sichtlich froh, in Österreich eines seiner Kunstwerke machen zu können. Er fertigte zahlreiche Porträts an - einerseits um die Menschen in Erlauf kennenzulernen, anderseits um Dollars zu bekommen.
Seine Idee, ein Mädchen als Friedenssymbol zwischen einen russischen und einen amerikanischen Soldaten zu stellen, erzeugte auch Widerspruch. Das könnte an die grausame soldatische Gewalt an den Frauen erinnern, meinten Kritikerinnen. Komov löste das Problem durch seine Bereitschaft, das Mädchen kleiner und jünger zu machen.
Sehr angenehm und hilfreich waren in dieser Zeit die entgegenkommenden und guten persönlichen Kontakte zum damaligen Kulturattaché der russischen Botschaft. Unvergessen bleibt mir auch mein privater Besuch mit Frau und Tochter bei Jenny Holzer in ihrem Haus in Manhattan. Eine schlichte, einfache, unkomplizierte Frau mit großer Ausstrahlung. Sie hat uns ganz herzlich empfangen.
Trotz der Kompliziertheit ihres Erlaufer Projektes gestaltete sich der Schriftverkehr mit ihr und ihren Mitarbeitern immer freundschaftlich und relativ problemlos. Fasziniert hat mich persönlich die Bereitschaft der Bevölkerung der ländlichen Gemeinde Erlauf, Kunst aufzunehmen und Verständnis für die Kosten aufzubringen. In unzähligen Arbeitsstunden haben freiwillige Helfer bei der Platzgestaltung mit gearbeitet. Ich konnte mir nie vorstellen, dass ein modernes, zeitgenössisches Kunstwerk wie das von Jenny Holzer entstehen kann, ohne dass ein Proteststurm losbricht. Jetzt viele Jahre nach der Eröffnung darf ich feststellen, das Konzept ist aufgegangen.
Altbürgermeister, Ing. Franz Kuttner